XII. Der Film als Rohmaterial: Möglichkeiten aussagegebundener Neumontage

Verwenden Sie die elf Einstellungen des Films unten als Rohmaterial und ordnen Sie diese so, dass daraus ein eigener kurzer Filmbericht entsteht. In diesem Filmbericht sollen alle elf Einstellungen Verwendung finden. Schreiben Sie zu dem Filmbericht einen Begleittext, den Sie bei der Vorführung entweder vom Blatt lesen oder als Audio mitschneiden und parallel zum Filmbericht abspielen. Achten Sie darauf, dass Ihr Kommentar nicht zu sehr von den gezeigten Bildern abweicht – vermeiden Sie nach Möglichkeit Bild-Ton-Scheren.

Aufgaben

Nehmen Sie bei der Erstellung des Filmberichtes eine der folgenden Perspektiven ein:

  1. Ihr Filmbericht soll in den Westzonen über die Notsituation speziell der Heimatvertriebenen aufklären und dafür werben, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen Hilfe zu leisten. Kommentieren Sie die Bilder daher so, dass der Zuschauer auf das Elend der Menschen aufmerksam gemacht wird, und formulieren Sie einen Hilfsappell an die Zuschauer, der am Schluss stehen soll.
  2. Versetzen Sie sich in die Rolle der werdenden Mutter (E 45, E 46) und beschreiben Sie ihre Lebenssituation aus ihrer Perspektive: Wie gelangte sie ins Flüchtlingslager? Hat sie bereits Kinder, hat sie noch einen Mann, Eltern oder andere Familienangehörige? Was ist ihre größte Sorge, worauf hofft sie? Lassen Sie Ihre Phantasie spielen, aber formulieren Sie sachlich und verzichten Sie auf Pathos.
  3. Ihr Bericht soll aus der Sicht der Behörden die Konsequenz legitimieren, mit der ein Teil der Antragssteller abgewiesen wird. Der Sprecher wird dabei einen Schwerpunkt auf die Einordnung der Flüchtlingsfrage in die Gesamtsituation der Nachkriegsjahre legen.
Schnitt-Werkzeuge:
legend dot Nach rechts/links schieben, um Einstellungslänge zu ändern
legend eye Einstellung ausblenden/wieder einblenden
legend sound Tonspur ausschalten/einschalten
legend drag Nach oben/unten ziehen, um Einstellung zu verschieben

Gruppen-Aufgaben

Die folgenden komplexeren Aufgaben zur aussagengebundenen Neumontage setzen die Verfügbarkeit eines Schnittsystems voraus, in das der Film Asylrecht und ggf. auch die Zeitzeugen-Interviews zur freien Bearbeitung eingespielt werden sollen. Die Aufgaben sollen in Gruppen bearbeitet werden. Kipps Aufnahmen dienen den Gruppen als Rohmaterial für neue Schnittfassungen, in denen die Aussagen des Films Asylrecht gezielt umgedeutet werden sollen.

Aufgabe 1

Sie sind ein heutiger TV-Journalist und bereiten einen Einzelaspekt des Kipp-Films für eine zeitgeschichtliche Fernsehdokumentation auf. Ein solcher Einzelaspekt könnte eines der im Film gezeigten Aufnahmelager sein oder allgemein die Lebensumstände der Flüchtlinge in den Nachkriegsjahren. Erstellen Sie aus Kipps Aufnahmen eine ca. 2-minütige Sequenz, die einer heutigen Fernsehdokumentation stilistisch entsprechen soll. Suchen Sie passende Musik aus und nehmen Sie einen Sprecherkommentar auf. Beziehen Sie, falls sinnvoll, auch die Zeitzeugen-Interviews mit ein.

Beachten Sie dabei folgendes:
  • Heutige Geschichtsdokumentationen können nicht mehr das Wissen voraussetzen, das zur Entstehungszeit von Kipps Film bei den Zuschauern vorhanden war. Daher muss das Thema in kurzer und allgemein verständlicher Form eingeleitet werden.
  • Der Schnittrhythmus der Sequenz muss den heutigen Sehgewohnheiten angepasst werden.
  • Versuchen Sie, den Zuschauer mittels Text, Intonation und Musikauswahl möglichst stark emotional zu involvieren.
Sek II Aufgabe 2

Mit Beginn der fast einjährigen Berlin-Blockade am 24. Juni 1948 drohte der längst ausgebrochene Ost- West-Konflikt zeitweise zum offenen Krieg zu eskalieren. Versetzen Sie sich in die Rolle eines Mitarbeiters der in München produzierten amerikanisch-britischen Wochenschau „Welt im Film“ (1945–1952). Sie erhalten 1949 noch während der Berlin-Blockade den Auftrag, aus den Aufnahmen Rudolf Kipps einen 2–4-minütigen Wochenschau- Beitrag zu gestalten, der eine klare antisowjetische und prowestliche Tendenz haben soll. Deuten Sie den Flüchtlingsstrom aus der SBZ vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes und lassen Sie die sowjetische Besatzungsmacht als Schuldigen erscheinen. Nehmen Sie dazu einen Sprecherkommentar auf, der entsprechende Aussagen enthält.

Beachten Sie dabei folgendes:
  • Wochenschaubeiträge weisen ein schnelleres Erzähltempo auf als Kipps Film. Suchen Sie sich zur Vorbereitung Anschauungsmaterial aus den späten 40er/frühen 50er Jahren bei YouTube. Falls Sie passende Musik finden, setzen Sie sie zur Verstärkung der Aussagen ein.
  • Welche Passagen aus Kipps Film könnten ein negatives Licht auf die Aufnahmepolitik der Westzonen werfen? Wie können diese Szenen ggf. umgedeutet werden?
  • Bei der Prüfung der Aufnahmewilligen (Sequenz 11d) ist mehrfach von politischer Verfolgung die Rede. Inwieweit könnte dieser Aspekt stärker betont werden?
Aufgabe 3

Sie sind Mitarbeiter der DDR-Staatswochenschau „Der Augenzeuge“ (1946–1980) und erhalten 1949 den Auftrag, aus Kipps Aufnahmen einen 2–4-minütigen Wochenschau-Beitrag zu gestalten, der eine klare antiwestliche und prosowjetische Tendenz haben soll. Versuchen Sie, Erklärungen für den Flüchtlingsstrom aus der SBZ zu finden, und beziehen Sie auch Stellung zu den zahlreichen Ablehnungen, die bei der Prüfung der Aufnahmeanträge ausgesprochen werden. Nehmen Sie dazu einen Sprecherkommentar auf, der entsprechende Aussagen enthält.

Beachten Sie dabei folgendes:
  • Wochenschaubeiträge weisen ein schnelleres Erzähltempo auf als Kipps Film. Suchen Sie sich zur Vorbereitung Anschauungsmaterial bei YouTube. Falls Sie passende Musik finden, setzen Sie sie zur Verstärkung der Aussagen ein.
  • Welche Passagen von Kipps Film sind dazu geeignet, die (Aufnahme-)Politik der Westzonen zu kritisieren? Inwieweit können die westlichen Besatzungsmächte für die Zustände in den Aufnahmelagern verantwortlich gemacht werden?
  • Finden Sie Gründe für die Flucht von SBZ-Bewohnern in die Westzonen, die mit dem politischen Selbstverständnis der sowjetischen Besatzungsmacht bzw. der SED-Führung vereinbar sind.