Kurzübersicht

Der Niedersächsische Filmkanon ist ein Filmbildungsangebot des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) und der Medienberatung Niedersachsen. Er unterstützt das Lernen mit und über Filme an niedersächsischen Schulen. Seit seiner Einführung im Jahr 2008 wurde der Filmkanon kontinuierlich erweitert und sowohl technologisch als auch didaktisch überarbeitet. Ziel des Angebots ist die Förderung der Medienkompetenz, insbesondere die Fähigkeit, Filme zu analysieren und zu „lesen“. Zudem greifen die ausgewählten Filme eine Vielzahl inhaltlicher Themen auf, die in den Fächern Deutsch, Politik, Ethik/Religion, Kunst und Musik verankert sind. Viele dieser Themen besitzen eine hohe gesellschaftliche und persönlichkeitsbildende Relevanz.

Der Niedersächsische Filmkanon bietet Filme an,

  • die filmgeschichtlich beziehungsweise filmästhetisch von herausragend exemplarischer Bedeutung sind,
  • für die didaktisches Material, im aktuellen Format in interaktiver Form, zur Verfügung gestellt werden kann,
  • für die im Regelfall Film-Lizenzen zur Vorführung an den Schulen in Niedersachsen erworben wurden.

Die Analyse einer Literarturverfilmung und der Vergleich mit dem Roman ist im Fach Deutsch für die gymnasiale Oberstufe verpflichtend vorgeschrieben.

Die ausgewählten Spielfilme sollen Lehrkräfte dabei unterstützen, Filmanalysen mit ihren Schülerinnen und Schülern in verschiedenen Fächern durchzuführen. Das Angebot umfasst Filme, die sich für den Einsatz in Deutsch, Fremdsprachen, Geschichte, Politischer Bildung, Religion/Ethik, Kunst und Musik eignen. Sowohl die Filme als auch das begleitende didaktische Material sind für unterschiedliche Schulstufen und Leistungsniveaus konzipiert.

Die aktuellen didaktischen Begleitangebote wurden für Schülerinnen und Schüler als Selbstlern-Kurse entwickelt. Somit können sie von Lehrkräften ohne aufwendige Vorbereitung und unabhängig vom eigenen Vorwissen direkt im Unterricht oder als außerunterrichtliche Aufgabe (Individuelle Lernzeit [ILZ], Hausaufgabe) eingesetzt werden. Interaktive Aufgaben mit Filmausschnitten, Zusatzmaterialien und Musterlösungen ermöglichen eine vertiefte Auseinandersetzung mit filmanalytischen Aspekten anhand konkreter Beispiele. Gleichzeitig unterstützen sie die in den Kerncurricula verankerten Anforderungen zur "Filmbildung im Unterricht" an niedersächsischen Schulen.

Die Auseinandersetzung mit Film hat in den Curricula und Arbeitsplänen Niedersachsens ihren festen Platz. Verpflichtend können die Schülerinnen und Schüler in der gymnasialen Oberstufe „Grundbegriffe der Filmanalyse anwenden“ und „ausgewählte erzählerische Gestaltungsmittel von Filmsequenzen mit denen epischer Texte vergleichen“. In Kunst tritt in der 10. Klasse neben das „Analysieren von Filmsequenzen“ der selbsttätige „dramaturgische Einsatz von filmischen Gestaltungsmitteln und Montageformen“, bis hin zur „Realisierung eines Kurz- oder Experimentalfilms“. Daneben gewinnt in den Lernplänen der Schulen der Einsatz von „Film“ auch in den Fächern Musik, Religion/WuN und den Fremdsprachen immer mehr an Bedeutung. Vielfach ist in der gymnasialen Oberstufe ein „Seminarfach Film“ etabliert, um Schülerinnen und Schülern eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Medium zu ermöglichen.

Chronik des Niedersächsischen Filmkanons

Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Filmkanons für das schulische Lernen in Niedersachsen war eine Entscheidung des niedersächsischen Landtags aus dem Jahr 2007:

„Alle Schülerinnen und Schüler sollten die Möglichkeit erhalten, ähnlich wie bei der Rezeption von Literatur, ein gemeinsames Wissen über das historisch gewachsene Kulturgut Film zu erwerben. Im Herbst 2008 werden die ersten bearbeiteten Spielfilme für den Unterricht in den niedersächsischen Schulen zur Verfügung stehen.“
(Niedersächsischer Landtag – 16. Wahlperiode, Drucksache 16/334)

2008 – 2013: Filmkanon auf CD-ROM

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Landtags hat Franz Traxler (Leitung Medienzentrum Aurich) mit der Konzeption und dem Aufbau des Filmkanons begonnen und wurde ab der zweiten Staffel von Uwe Plasger (Medienzentrum Hannover) unterstützt. Von 2008 bis 2013 sind im Rahmen des Niedersächsischen Filmkanons fünf Staffeln mit je drei Filmen erschienen:

Staffel Filmtitel (dt.) Jahr Regie Autoren didakt. Begleitmaterial
1 M – eine Stadt sucht einen Mörder 1931 Fritz Lang Gerd Höckner
1 Der Untertan 1951 Wolfgang Staudte Gerd Höckner
1 2001: Odyssee im Weltraum 1968 Stanley Kubrick Uwe Plasger
2 Die fabelhafte Welt der Amélie 2001 Jean-Pierre Jeunet Gerd Höckner
2 Paris, je t'aime 2006 verschiedene; Alexander Payne Uwe Plasger
2 Azur und Asmar 2006 Michel Ocelot Almut Richter, Franz Traxler
3 Aguirre, der Zorn Gottes 1972 Werner Herzog Reinhold Baaske
3 Die Brücke 1959 Bernhard Wicki Uwe Plasger
3 Kannst du pfeifen, Johanna? 1995 Rumle Hammerich Gerd Höckner
4 Tod in Venedig 1971 Luchino Visconti Gerd Höckner
4 Zwölf Uhr mittags 1952 Fred Zinnemann Uwe Plasger
4 Zug des Lebens 1998 Radu Mihaileanu Reinhold Baaske
5 Die 12 Geschworenen 1957 Sidney Lumet Uwe Plasger
5 Salami Aleikum 2009 Ali Samadi Ahadi Uwe Plasger
5 Der rote Ballon 1956 Albert Lamorisse Uwe Plasger
Die didaktischen Materialien in Form von Word- und PDF-Dateien wurden von niedersächsischen Medienberatern entwickelt und von der Agentur ReUnion Media mit Filmausschnitten, Bildern und einfachen interaktiven Formularen zunächst unter einer HTML-Oberfläche zusammengefasst. Ergänzt durch Filmausschnitte, Standbilder und interaktive Formulare wurden sie auf CD-ROM zusammen mit den Filmdateien über die Medienzentren verteilt. Über die fünf Staffeln hinweg wurde mit der Gestaltung der Benutzeroberfläche mittels Adobe Flash und HTML experimentiert.

In dieser Zeit lag die Koordination der Filmbildung bei Sonja Giersberg, während Gerd Höckner die Leitung des Filmkanons innehatte. Die Fachbereichsleitung lag bei Detlef Endeward (NLQ FB 35 Medienbildung in Schule und Unterricht, Netzwerk Medienberatung).

Startseite der CD-ROM zu Salami Aleikum

Oberfläche der CD-ROM: Auswahl der Dokumente zu Salami Aleikum

2013 – 2016: Filmkanon als interaktive PDF-Arbeitsblätter

Nach Abschluss der fünf Staffeln des Niedersächsischen Filmkanons mit insgesamt 15 Filmen auf CD-ROM zeigte das Feedback der Nutzerinnen und Nutzer den Bedarf an einer technologischen und didaktischen Überarbeitung. Besonders hervorgehoben wurden der Wunsch nach einer Alternative zum CD-ROM-Format, eine stärkere Handlungsorientierung der Didaktik, eine höhere Interaktivität und eine erleichterte Zugänglichkeit. Während die erste Version des Filmkanons noch stark auf eine lehrkraftgesteuerte Nutzung – insbesondere durch die kommentierte Verteilung von Arbeitsblättern und Filmausschnitten – ausgelegt war, sollte die überarbeitete Fassung medienintegrativ und lernerzentriert gestaltet werden. Aufgaben mit einem stärkeren audiovisuellen Fokus und entsprechenden Handlungsmöglichkeiten sollten den schriftsprachlichen Ansatz ergänzen, um dem Charakter des Mediums Film besser gerecht zu werden. Die technische und didaktische Neugestaltung erfolgte durch die Akademie für Medienpädagogik (AMMMa) in Form interaktiver PDF-Arbeitsblätter, deren Interaktivität mithilfe des Adobe Flash-Formats umgesetzt wurde. Diese PDF-Dokumente kombinierten Texte, Bilder und Filmausschnitte mit vielfältigen interaktiven Aufgaben und Werkzeugen. Sie waren offline nutzbar, intuitiv bedienbar und knüpften an die bereits vertrauten Nutzungserfahrungen mit PDF-Dokumenten von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern an. Die Materialien wurden über den Merlin-Server (Medienressourcen für Lernen in Niedersachsen) zum Download bereitgestellt. Didaktisch verfolgte die neue Aufbereitung des Filmkanons das Ziel, kursorientiertes und selbständiges Lernen durch die Kombination von angeleitetem Lernen am Modell und die gleichzeitige Eröffnung von hohen Freiheitsgraden zu ermöglichen und die Lernenden zu jeder Zeit zu eigenständigem Denken und Handeln zu motivieren und mit abgestuften Hilfsangeboten bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
Dabei wurden in schulischen Fächern erprobte Zugänge der Textarbeit bei der Arbeit mit Film digital aufgegriffen und unterstützt, um das von Wolf-Rüdiger Wagner adressierte grundsätzliche Problem der (schulischen) Filmbildung anzugehen:

„Im Gegensatz zu schriftsprachlichen Texten sperren sich filmische Texte ohne die Nutzung digitaler Techniken gegen erprobte Formen der Textarbeit.“
(W.-R. Wagner: Eine digitale Wende in der Filmbildung? in Computer + Unterricht 79/2001)

Die interaktiven PDF-Arbeitsblätter des Niedersächsischen Filmkanons wurden am 17.2.2016 auf der Bildungsmesse didacta in Köln mit dem renommierten deutschen Bildungsmedienpreis digita ausgezeichnet.

In dieser Zeit lag die Koordination der Filmbildung zunächst in den Händen von Sonja Giersberg, später übernahm Jörg Gabriel diese Aufgabe. Für die Leitung des Filmkanons zeichnete Gerd Höckner verantwortlich. Die Fachbereichsleitung oblag Detlef Endeward (NLQ FB 35 Medienbildung in Schule und Unterricht, Netzwerk Medienberatung).

Text, Bilder, Filmausschnitte und interaktive Werkzeuge in einem PDF, Der rote Ballon. Mehr Screenshots zum Download.

digita-Sieger 2016 in der Kategorie Allgemeinbildende Schule, Sparte Sekundarstufe II: Der Niedersächsischen Filmkanon

Video-Präsentation der interaktiven PDF-Arbeitsblätter des Niedersächsischen Filmkanons

2016 – 2018: Filmkanon als interaktive Webseiten für mobile Geräte

Die wachsende Verbreitung mobiler Geräte, insbesondere von iPads, und das angekündigte Ende der Flash-Unterstützung durch Adobe machten einen Technologiewechsel unumgänglich, um Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler weiterhin mit dem Filmkanon zu erreichen. Die technische Umstellung des Filmkanons erfolgte wiederum durch die Akademie für Medienpädagogik (AMMMa) auf Basis einer HTML5/JavaScript-Lösung, die für die Nutzung lediglich einen aktuellen Browser erforderte. Dadurch standen den Schülerinnen und Schülern alle Texte, Filmausschnitte, Bilder, interaktiven Aufgaben und Werkzeuge als Lernbausteine direkt im Browser zur Verfügung – ohne zusätzliche Softwareinstallation. Ein zentrales Element der neuen Version des Filmkanons war die Einführung einer Funktion, die es den Lernenden ermöglichte, aus Filmausschnitten selbstgewählte Filmbildzitate anzufertigen, um ihre Aussagen visuell zu belegen und mit den Standbildern auf whiteboardähnlichen Arbeitsflächen weiterzuarbeiten. Das neue Format ermöglichte zudem eine weitergehende Vernetzung der Inhalte. So wurden Fachbegriffe der Filmanalyse und Operatoren des Faches Deutsch zum schnellen Aufrufen verlinkt. Ein zentrales Element dieser Erweiterung war die Einbindung eines umfassenden Filmsprache-Glossars, das im Rahmen einer Kooperation mit Neue Wege des Lernens e. V. eingebunden werden konnte und auch als gedrucktes Plakat in Niedersachsen verfügbar ist (Bezugsmöglichkeit: filmbildung@nlq.nibis.de). Ein weiterer Vorteil des webbasierten Formats der Lernbausteine bestand in der erleichterten Zusammenarbeit zwischen Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften: Bearbeitungen ließen sich nun mühelos per individuellem Link über die an den Schulen vorhandenen Kommunikationskanäle teilen. Darüber hinaus wurde der Filmkanon inhaltlich um englischsprachige Materialien zu den drei Filmen Romeo and Juliet (Baz Luhrmann, 1996), Dead Poets Society (Peter Weir, 1989) und Of Mice and Men (Gary Sinise, 1992) erweitert.

Als eine Art Ableger des Filmkanons entstanden in diesem Zeitraum auch spezielle Angebote für den Einsatz von Filmen im Geschichtsunterricht (historisch-kritische Filmbildung).

In dieser Zeit lag die Koordination der Filmbildung zunächst in den Händen von Jörg Gabriel. Die Leitung des Filmkanons hatte Gerd Höckner inne. Die Fachbereichsleitung oblag Detlef Endeward (NLQ FB 35 Medienbildung in Schule und Unterricht, Netzwerk Medienberatung).

Übersichtsseite des webbasierten Niedersächsischen Filmkanons (Ausschnitt), 2018.

Erstellen von Filmbildzitaten und Einordnung auf der Arbeitsfläche

2022 – heute: Filmkanon induktiv und kompetenzorientiert

Die gesammelten Erfahrungen und Rückmeldungen von Lehrkräften, Filmberatern und Filmlehrer/innen aus Niedersachen führten 2022 zu einer grundlegenden Überarbeitung der Lernbausteine des Filmkanons. Neben einem induktiven Einstieg in die einzelnen Lernbausteine orientierten sich fortan sämtliche Aufgaben an dem Kompetenzorientierten Filmbildungskonzept für die Schule des Arbeitskreises Filmbildung der Länderkonferenz Medienbildung: Dieses Konzept folgt der Systematik des kompetenzorientierten Konzepts für die schulische Medienbildung der Länderkonferenz MedienBildung (LKM), modifiziert, spezifiziert und detailliert dieses jedoch mit Blick auf das Medium Film. Durch diese Systematisierung auf Aufgabenebene können sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler die einer filmbezogenen Aufgabe zugrundeliegenden Kompetenzerwartungen und -ziele nachvollziehen und ihre Arbeit im kulturellen Handlungsfeld Film verorten. Die Kompetenzorientierung, die zwischen drei Niveaustufen unterscheidet, ermöglicht zudem eine gezielte Binnendifferenzierung auf Aufgabenebene. Das Anforderungsniveau der Lernbausteine des Filmkanons wurde so angepasst, dass sie mehrheitlich für den Einsatz in der Sekundarstufe I geeignet sind.

Eine weitere Neuerung dieser Überarbeitung war die Einführung von Standardmodulen zu jedem Film:

  • Der Figurenbaukasten ermöglicht es, sowohl vorbereitete als auch eigene Fragen und Impulse zu den Figuren eines Films und deren Beziehungen zu bearbeiten oder eine klassische Figurenkonstellation zu gestalten.
  • Das Modul Filmplakat unterstützt eine systematische Analyse, Einordnung und Kontextualisierung des jeweiligen Filmplakats.

Auch die Gestaltung der Lernbausteine wurde zeitgemäß überarbeitet und an die Zielgruppe angepasst. Die aktualisierten Lernbausteine des Filmkanons sind in der Überarbeitungsphase über den zentralen Anmeldedienst für Bildungsmedien in Niedersachsen moin.schule und demnächst über die Merlin-Mediathek verfügbar.

Ein von dem Filmkanon abgeleitetes Angebot zu Kurzfilmen ist die Kurzfilmbox: Die Kurzfilmbox ist ein filmdidaktisches Angebot des NLQ und der Medienberatung Niedersachsen für Lehrer*innen und Schüler*innen des Landes. Die ausgewählten Kurzfilme stammen alle von jungen Filmschaffenden, die Preisträger der Niedersächsischen Filmklappe waren oder deren Filme beim Internationalen Filmfestival up-and-coming Hannover liefen.

Die Koordination der Filmbildung liegt aktuell in den Händen von Karin Schüttendiebel während Imke Petermann den Filmkanon leitet. Die Fachbereichsleitung erfolgt durch Christian Schlöndorf (NLQ FB 53 Medienbildung in Schule und Unterricht, Netzwerk Medienberatung).

Kompetenzbereiche im kulturellen Handlungsfeld Film, nach dem Arbeitskreis Film (AKF) der Länderkonferenz Medienbildung (LKM)

Übersichtsseite der interaktiven Lernbausteine zu dem Film 2001: Odyssee im Weltraum